Samstag, 10. Juni 2006

fremdsprachen (sagen und sein)

wörter von mir in den reden anderer wiederhören - großartig, zum beispiel, das sich miss sophie genommen hat - und in meiner rede die wörter der anderen hören. die jargonhaftigkeit von allem, das erlernte. das zitierte. die anmaßung der aneignung, sie klingelt mir in den ohren.

angefangen hat es, als mir kleine fehler auffielen, unschärfen in der verwendung von wörtern, bei den anderen und bei mir selbst. meinst du damit, was ich meine? wo hast du das her? einmal sah ich das lächeln in einem gesicht, das mir zuhörte und wusste, dass ich nicht sprach, wie ich aufgewachsen war, und nicht, wie ich es gelernt hatte, sondern mischte. es lächelte ironisch und überlegen, weil man nicht gemischt sein darf. man muss rein sein. man darf die reinheiten wählen, man darf sie wechseln, aber man darf nicht vermischen. (in dieser zeit.) wer vermischt, zeigt, dass er sich etwas anmaßt, etwas nimmt, etwas borgt, das ihm nicht gehört. und dass er braucht, was er sich borgt, weil er nichts anderes/eigenes hat.

immer öfter hörte ich geborgte wörter, und bald schon zerfiel mir alles. jede rede zerbröckelte, jedes wort schnurrte zurück zu seinem (von mir vermuteten) ursprung, ich hörte dich sprechen: als tochter/als sohn, als schülerIn, als studentIn, als projektmensch, als angestelltes, als leserIn, als säugling (hörte ich dich sprechen), als emotion, als eitelkeit und zuneigung. ich war fasziniert von den wechselnden ebenen in jedem satz und bildete mir ein, du sprächest in diesem reden deine geschichte aus und machtest sie hörbar, auch wenn du etwas ganz anderes erzähltest. manchmal vergaß ich zu antworten.

seither passiert es mir immer öfter, dass ich mich im gespräch in den stilebenen irre oder die intensitäten falsch dosiere. (denn/aber) dass sich alles auch ganz anders sagen ließe, geht mir nicht aus dem kopf und macht mich schwerfällig, und dass es, würde es anders gesagt, auch anders wäre, irritiert mich. den überschuss an kraft, den dieses durcheinander auslöst, haben die wörter dann im handgepäck und behelligen damit meine hilflosen gegenüber.

aber es könnte noch weiter gehen. es reizt mich, mir vorzustellen, dass auch der aufbau der rede mir fragwürdig wird, dass der bogen (wie ich hier zum beispiel einen anlegte von es fing damit an über immer öfter und bald schon bis zu seither) sich ebenso auflöst wie das vokabular. was wohl heraus käme?

früher bemühte ich mich, mit jedem in seiner sprache zu sprechen, so lang, bis nichts mehr von mir übrig blieb und ich müde wurde. dann kamen die fehler.

ich werde lernen müssen zu glauben, dass du es bist, die spricht, wenn ich dich reden höre, dann kann ich auch glauben, was ich sage.

strichpunkt-bindestrich-klammerzu

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Casino - 11. Jun, 20:50

Das ist die Klasse der Mimetiker, die den anderen immer ein Stück zu weit mit reinlässt ins eigene Sprechen (erinnert mich an so Gespräche im Zustand irgeneiner Aufgeregtheit, wo dann so einzelne Worte oder Satzteile immer hin-und herfliegen über dem Restgespräch, und man bemerkt es nur so ganz am Rand.) Ist eine Wahrnehmungsart, glaub ich, mit Sprache hören. Keine Anmaßung.

mauszfabrick (Gast) - 11. Jun, 23:37

diese hin- und herfliegenden worte oder satzteile, die dann auch im denken hin- und herfliegen, bis sie längst nicht mehr nur bedeuten, was sie im gespräch im zustand irgendeiner aufgeregtheit bedeuten sollten?
avviso - 11. Jun, 23:43

pfingsten kommt mir da in den sinn. aber das muss besprochen nicht beschrieben werden. am besten bald. mit oder ohne wein. gehab dich wohl und bleib mir gewogen.

gingerbox - 12. Jun, 01:25

man sagte mir zu alldem heute abend noch: sei vorsichtig.

michaela1 - 12. Jun, 01:53

was ist denn das eigene?

und was das geborgte? alles ist geborgt! alles kann verloren gehen! welche sprache GEHÖRT ihnen? sie haben sich ihre sprache, das heißt: sprachen erworben, angehört, angelernt, im gebrauch zugespitzt. also haben sie auch die entscheidung darüber, ob sie "rein" bleiben wollen oder die ebenen verschleifen. gerade das finde ich reizvoll: einerseits die anpassung, aber doch mit der ironie im hinterkopf, die auch distanz zur situation und darstellt und auch einen ausweg freihält

mit jeden seine sprache sprechen, bedeutet einen identitätsverlust. aber was sind denn fehler? wer bestimmt, was ein fehler ist? das eigene schlechte gewissen, wegen der schlechten sitte, sich – nicht nur sprachlich – unterworfen zu haben?

avviso - 12. Jun, 18:43

ich dachte es wäre einfacher. aber es bohrt. den ganzen tag hab ich über dein geschriebenes nachgedacht. und es geht sich nichts aus. von hinten bis vorne. es wird knapp.
reinheit der Sprache??? willst in die academie francaise? das geht ja schon mal gar nicht. und eh klar haben wir alle irgendwas irgendwo her. gehört, gehört bekommen, eingeimpft, vor- und nachgebetet, auswendiggelernt oder sonstwie geklaut. vielleicht sogar gestohlen. vor allem das sollten wir tun, hat eine vortragende vor 3 Monaten zu uns gesagt. Sachen klauen. Wenn wir eine verwertbare oder besonders gute Auflösung sehen würden, bei einer/einem KollegIn dann sollten wir diese stehlen. Ohne schlechtem gewissen. Und wenn ich nicht alles nachgeplappert hätte damals, dann wäre ich nicht mal in die Lalphase gekommen.

Gut find ich wenn sich ein klein wenig ein weg zurückverfolgen lässt, und die Spuren die SprachvorbilderInnen hinterlassen haben erkennbar sind. Das macht Laune. Je parle donc je suis.

Wer sind eigentlich deine SprachvorbilderInnen?

gingerbox - 12. Jun, 20:51

ja, liebe casino, es ist wirklich immer zu weit, bis wohin man den anderen reinlässt, auch wenn die wörter noch hin- und herfliegen und in bewegung bleiben. manchmal ist ja das wiederholen der worte die einzige verbindung, die zwischen zweien bleibt. und dann ist es noch einmal traurig, wenn sie (die wörter. und die zwei.) trotzdem ihr eigenleben bekommen, das sich ablöst und seine bedeutung wechselt, genau, mauszfabrick, auch wenn du es vielleicht nicht traurig findest (ich weiß es nicht). sie haben natürlich recht, michaela1, dass alle sprachen geborgt sind, avviso hat auch noch mal darauf hingewiesen, es sind geborgte wörter, die durch uns durchgehen und wieder verschwinden. aber ich glaube nicht, dass alles sprechen frei entschieden werden kann. wie gesagt, ich vertue mich oft in letzter zeit, vokabeln, stilebenen, emotionen, es ist oft, als spräche die sprache sich selbst, ohne mich zu fragen, und sie ist dann ganz unironisch, denn sie stolpert.
als fehler habe ich dabei sowohl das misslingen des die-sprache-des-anderen-sprechens als auch die vokabel-, stil- und tonfehler verstanden. tatsächlich ist die unterwerfung unter die sprache des anderen eine nur scheinbar höfliche geste des verständnisses, die man eigentlich kaschieren müsste, wären andererseits die leute nicht jederzeit bereit, auch die billigste unterwerfung anzunehmen, so als stünde sie ihnen zu. spricht man aber die sprache des anderen aktiv und vertut sich dabei (vokabel-, stil- und tonfehler), wird die anmaßung sichtbar, die aneignung, die aber äußerlich bleibt, wenn die sprache fehlerhaft reproduziert wird.
sich wörter, phrasen und lösungen zu nehmen, lieber avviso, begrüße ich. ich tue es täglich und habe trotzdem manchmal ein schlechtes gewissen oder eher die sorge, dass man meinen bluff aufdeckt. denn ich spreche diese sprachen nicht. aber lass uns bluffen und zocken bis zum schluss.

avviso - 13. Jun, 02:56

you are my sister we were born

(auch gestohlen, und schön gestohlen) ich hab den ganzen abend über solch zeugs studiert und geredet. aber nein, es ging mir nicht ums zocken, sondern ums aneignen, gestohlen oder einfach angenommen. den anderen erkannt, das der was hat das zu meinem passt (das hatten wir ja schon mal, wo anders *fg*) und jetzt wieder. einfach nehmen und zum fehlenden teil dazufügen. und dann erkennen: es geht sich aus. wunderbar. zocken das hat was mit so hohem einsatz zu tun. der einsatz ist viel geringer. weil wir viel mehr vom selben reden als wir denken. nur verschachtelt, damit wir uns nicht zu erkennen geben. tarnung sozusagen. tarnmantel sprache. und bluffen heisst täuschen und das geht sich von hinten bis vorne (schon wieder) sicher nicht aus. no go. never. sprich. lass dich sprechen. vielleicht versteht dich dann die sprache. besser gestohlenes wiederausspucken als einleben lang geschwiegen. dont worry baby ....your NOT at home.

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