Donnerstag, 31. Januar 2008

(vermischtes am vorabend)

wenn ein autor oder auch sein verlag einen titel wählt wie "ohrenberg oder der weg dorthin" erlaube ich mir, arno schmidts studie zu karl may "sitara und der weg dorthin" daneben zu legen. die muss ich allerdings zuerst bestellen, was den jungen buchhändler am telefon fast aus der rolle fallen und ein kurzes verschwörerisches geplänkel anstimmen lässt, weil ich ihn nach einer anständigen hardcover-ausgabe frage und er mir aber leider, leider nur ein fischer-tb anbieten kann, das dann sogar noch dm- und schilling-preise am rücken hat und im impressum die rührende ziffer 1998 aufweist: wen liest man den weniger, schmidt oder may? oder beide? schmidt jedenfalls, auch wenn der buchhändler es sich wünscht, wird wohl nicht "in mode geraten", wie auch immer. jedenfalls hat es mir die vergangenen zwei tage viel freude bereitet, mit herrn s. die ergebnisse der may'schen sexualfixierungen im scheinbar so erotikfreien wilden westen und osten aufzuspüren.

popps "ohrenberg" wiederum, der titelgebende graf, lebt in einem turm, den er von den russen übernommen hat, im ehemaligen "roten" teil deutschlands und funkt seine weisheiten in den schweigenden weltäther. mit dem schmidt'schen interpretationsmodell gelesen ist das ein rundum gelungenes bild. zwar steht der turm noch (popp ist jahrgang 1978, die sorge um standfestigkeit dürfte sich ihm noch nicht aufgedrängt haben), aber was aus diesem turm herauskommt, ist recht absurd und unbedeutend und dem autor auch keiner darstellung wert. im innern: erinnerungen, viele kluge gedanken und nichts zu essen, nur mineralwasser. wie in thomas stangls "der einzige ort" ist der orient übrigens auch für ohrenberg der ort der selbsterfahrung etc. pp., man muss sich das alles nochmal schön sauber herzitieren. bon.

dann gibts da noch aschmann, der auf dem weg zu ohrenberg ist. weils im titel "oder" heißt, könnte man vermuten, es gälte sich zu entscheiden: ohrenberg? oder der weg dorthin? was wäre ihnen, verehrter leser (die frauen dürfen sich hier nicht mitgemeint wähnen), denn lieber? aschmann hat die sehr konkreten dinge hinter sich, vor allem die erwerbsarbeit, und eine mehr als umständliche reise zu bewältigen. ich verrate es: die beiden treffen sich nicht, aber kommen sich sehr nahe. ein entwicklungsroman, meine herren, das beste, was ich seit langem gelesen habe. auch popps gedichte sind meisterhaft.

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assotsiationsklimbim - 31. Jan, 20:16

wenn dir popp also gefällt würde ich gerne wissen, was du von rinck hälst. und von lentz.

gingerbox - 1. Feb, 13:29

lentz ist mir ein großes kluges vergnügen. rinck - hüstel - hingegen eine weitere lücke, die ich zu schließen hätte.
deine meinung zu popp?
assotsiationsklimbim - 1. Feb, 17:53

popp: natürlich ganz toll, auf seine weise mit großem abstand vor allen anderen zur zeit. rinck: ganz ähnlich, auch kook, die gedichte sind halt gedichte, aber ihr lyricessay "ah das love-ding" ist dringlich zu empfehlen.
gingerbox - 4. Feb, 11:41

die rezensionen, die zu popp erschienen sind, sind eine schande.
rinck: ohjadoch, die gedichte hab ich bei meiner schwester neulich gelesen - sehr fein, ich mags ja lustig und mit tieren, ohne ironie jetzt.
lentz hab ich mal in ganz bösen cowboystiefeln gesehen, das war auch nicht ohne.

assotsiationsklimbim - 4. Feb, 15:47

ich habe selbst popp wohlmeinendst rezensiert (schreibkraft, graz) aber mir wurde gesagt, das läse sich wie ein verriss, naja.

rinck: love-ding ist nicht nur lustig, auch herzzerfetzend.

cowboystiefel: die hat er wohl immer an, ich sah ihn nur damit (+weißer anzug), aber er kann so was wohl auch tragen.
gingerbox - 4. Feb, 23:38

deine rezension liest sich mitnichten wie ein verriss. deine frage nach dem "sein" bzw. dem selbstzweckischen der bilderfülle ist die kernfrage. das buch stellt die lächerlichkeit der erkenntnisbemühungen ja gerade aus, in den personen der verknarzten alten herren. - deshalb müsste man "ohrenberg" auch mit kehlmanns "vermessung der welt" zusammenlesen (schön weiteratmen bitte). - 2006 einen "barockroman" zu schreiben, ist lächerlich, ist ein nackter alter mann in einer kalten badewanne, ist ebenso unzeitgemäß und im wortsinn unverständlich wie ohrenbergs phallischer sendeturm in der einöde. das ganze buch sagt: "so etwas wie ich ist sinnlos." solche demutsgesten ziehen bei mir.

assotsiationsklimbim - 5. Feb, 11:35

also zu kehlmann sage ich mal lieber nichts, ansonsten stimme ich zu.

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