weil es neulich thema war
Auszüge aus dem Nachwort von Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Suhrkamp)
„Der Faschismus versucht, die neu entstandenen proletarisierten Massen zu organisieren, ohne die Eigentumsverhältnisse, auf deren Beseitigung sie hindrängen, anzutasten. Er sieht sein Heil darin, die Massen zu ihrem Ausdruck (beileibe nicht zu ihrem Recht) kommen zu lassen. Die Massen haben ein Recht auf Veränderung der Eigentumsverhältnisse; der Faschismus sucht ihnen einen Ausdruck in deren Konservierung zu geben. Der Faschismus läuft folgerecht auf eine Ästhetisierung des politischen Lebens hinaus. (...)
Alle Bemühungen um die Ästhetisierung der Politik gipfeln in einem Punkt. Dieser eine Punkt ist der Krieg. Der Krieg, und nur der Krieg, macht es möglich, Massenbewegungen größten Maßstabs unter Wahrung der überkommenen Eigentumsverhältnisse ein Ziel zu geben. So formuliert sich der Tatbestand von der Politik her.
Von der Technik her formuliert er sich folgendermaßen: Nur der Krieg macht es möglich, die sämtlichen technischen Mittel der Gegenwart unter Wahrung der Eigentumsverhältnisse zu mobilisieren. Es ist selbstverständlich, daß die Apotheose des Krieges durch den Faschismus sich nicht dieser Argumente bedient.
(...) Die Ästhetik des heutigen Krieges (stellt sich) folgendermaßen dar: wird die natürliche Verwertung der Produktivkräfte durch die Eigentumsordnung hintangehalten, so drängt die Steigerung der technischen Behelfe, der Tempi, der Kraftquellen nach einer unnatürlichen. Sie findet sie im Kriege, der mit seinen Zerstörungen den Beweis dafür antritt, daß die Gesellschaft nicht reif genug war, sich die Technik zu ihrem Organ zu machen, dass die Technik nicht ausgebildet genug war, die gesellschaftlichen Elementarkräfte zu bewältigen.
Der imperialistische Krieg ist in seinen grauenhaftesten Zügen bestimmt durch die Diskrepanz zwischen den gewaltigen Produktionsmitteln und ihrer unzulänglichen Verwertung im Produktionsprozeß (mit anderen Worten, durch die Arbeitslosigkeit und den Mangel an Absatzmärkten). Der imperialistische Krieg ist ein Aufstand der Technik, die am „Menschenmaterial“ die Ansprüche eintreibt, denen die Gesellschaft ihr natürliches Material entzogen hat. Anstatt Flüsse zu kanalisieren, lenkt sie den Menschenstrom in das Bett ihrer Schützengräben, anstatt Saaten aus ihren Aeroplanen zu streuen, streut sie Brandbomben über die Städte hin, und im Gaskrieg hat sie ein Mittel gefunden, die Aura auf neue Art abzuschaffen.
„Fiat ars – pereat mundus“ sagt der Faschismus und erwartet die künstlerische Befriedigung der von der Technik veränderten Sinneswahrnehmung, wie Marinetti bekennt, vom Kriege. Das ist offenbar die Vollendung des l'art pour l'art. Die Menschheit, die einst bei Homer ein Schauobjekt für die Olympischen Götter war, ist es nun für sich selbst geworden. Ihre Selbstentfremdung hat jenen Grad erreicht, der sie ihre eigene Vernichtung als ästhetischen Genuß ersten Ranges erleben läßt. So steht es um die Ästhetisierung der Politik, welche der Faschismus betreibt. Der Kommunismus antwortet ihm mit der Politisierung der Kunst.“
„Der Faschismus versucht, die neu entstandenen proletarisierten Massen zu organisieren, ohne die Eigentumsverhältnisse, auf deren Beseitigung sie hindrängen, anzutasten. Er sieht sein Heil darin, die Massen zu ihrem Ausdruck (beileibe nicht zu ihrem Recht) kommen zu lassen. Die Massen haben ein Recht auf Veränderung der Eigentumsverhältnisse; der Faschismus sucht ihnen einen Ausdruck in deren Konservierung zu geben. Der Faschismus läuft folgerecht auf eine Ästhetisierung des politischen Lebens hinaus. (...)
Alle Bemühungen um die Ästhetisierung der Politik gipfeln in einem Punkt. Dieser eine Punkt ist der Krieg. Der Krieg, und nur der Krieg, macht es möglich, Massenbewegungen größten Maßstabs unter Wahrung der überkommenen Eigentumsverhältnisse ein Ziel zu geben. So formuliert sich der Tatbestand von der Politik her.
Von der Technik her formuliert er sich folgendermaßen: Nur der Krieg macht es möglich, die sämtlichen technischen Mittel der Gegenwart unter Wahrung der Eigentumsverhältnisse zu mobilisieren. Es ist selbstverständlich, daß die Apotheose des Krieges durch den Faschismus sich nicht dieser Argumente bedient.
(...) Die Ästhetik des heutigen Krieges (stellt sich) folgendermaßen dar: wird die natürliche Verwertung der Produktivkräfte durch die Eigentumsordnung hintangehalten, so drängt die Steigerung der technischen Behelfe, der Tempi, der Kraftquellen nach einer unnatürlichen. Sie findet sie im Kriege, der mit seinen Zerstörungen den Beweis dafür antritt, daß die Gesellschaft nicht reif genug war, sich die Technik zu ihrem Organ zu machen, dass die Technik nicht ausgebildet genug war, die gesellschaftlichen Elementarkräfte zu bewältigen.
Der imperialistische Krieg ist in seinen grauenhaftesten Zügen bestimmt durch die Diskrepanz zwischen den gewaltigen Produktionsmitteln und ihrer unzulänglichen Verwertung im Produktionsprozeß (mit anderen Worten, durch die Arbeitslosigkeit und den Mangel an Absatzmärkten). Der imperialistische Krieg ist ein Aufstand der Technik, die am „Menschenmaterial“ die Ansprüche eintreibt, denen die Gesellschaft ihr natürliches Material entzogen hat. Anstatt Flüsse zu kanalisieren, lenkt sie den Menschenstrom in das Bett ihrer Schützengräben, anstatt Saaten aus ihren Aeroplanen zu streuen, streut sie Brandbomben über die Städte hin, und im Gaskrieg hat sie ein Mittel gefunden, die Aura auf neue Art abzuschaffen.
„Fiat ars – pereat mundus“ sagt der Faschismus und erwartet die künstlerische Befriedigung der von der Technik veränderten Sinneswahrnehmung, wie Marinetti bekennt, vom Kriege. Das ist offenbar die Vollendung des l'art pour l'art. Die Menschheit, die einst bei Homer ein Schauobjekt für die Olympischen Götter war, ist es nun für sich selbst geworden. Ihre Selbstentfremdung hat jenen Grad erreicht, der sie ihre eigene Vernichtung als ästhetischen Genuß ersten Ranges erleben läßt. So steht es um die Ästhetisierung der Politik, welche der Faschismus betreibt. Der Kommunismus antwortet ihm mit der Politisierung der Kunst.“
gingerbox - 2. Jun, 17:51
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bell7 - 3. Jun, 12:05
aha aso
dann war es gar nicht der krieg, der den menschen ... nicht zu ihrem recht verhilft, sondern der faschismus. also könnte es sein, dass ich mich nicht umsonst so aufgepudelt hab. ... was der menschheit wurscht ist, aber mir nicht. ja danke fürs zitat, ich glaub das buch kauf ich mir. (um es zu lesen hopefullly) der herr benjamin war mir immer schon eher sympathisch. der adorno ja irgendwie weniger. nojo. die frau pewny und krondorfer sind ja große adorno - fans, vielleicht bin ich von dem her schon kritisch ... und der lieblingssuchpruch, aka zitat in der frauenhetz war ja immer adornos "es gibt kein richtiges leben im falschen", worauf in unserem buch ja auch eingegangen wird, also wenn orsch dann ois orsch, aber dagegen verwehre ich mich!
und noch profaneres: das heimradeln letztens war der hammer, nur bergauf und megaanstrengend und herumgewackelt bin ich aufgrund der biere, lecko, das wär ein strafzahlfest geworden!
schönes weekend, bussi! bell
und noch profaneres: das heimradeln letztens war der hammer, nur bergauf und megaanstrengend und herumgewackelt bin ich aufgrund der biere, lecko, das wär ein strafzahlfest geworden!
schönes weekend, bussi! bell
gingerbox - 3. Jun, 12:27
genau,
und drauf wetten hätt ich können, dass es so ist, wie ich sage. ach, das hirn. aber hätts nicht auch so irgendwie sinn gemacht?
ich liebe das zitat vor allem wegen des pathos, der ernsthaftigkeit der kursivierungen, wegen der grossen begriffe, die ganz selbstverständlich daherkommen und trotzdem signalisieren: wir machen hier weltgeschichte, and we know it. dazu das bild von walter benjamin mit seinem traurigen schnauzbärtchen und dem drahtbrillengestell. das zu lesen macht mir jedesmal luft im magen.
ich liebe das zitat vor allem wegen des pathos, der ernsthaftigkeit der kursivierungen, wegen der grossen begriffe, die ganz selbstverständlich daherkommen und trotzdem signalisieren: wir machen hier weltgeschichte, and we know it. dazu das bild von walter benjamin mit seinem traurigen schnauzbärtchen und dem drahtbrillengestell. das zu lesen macht mir jedesmal luft im magen.
Fidel - 6. Jun, 14:40
Mit Adorno gegen Adorno
Liebe AG "Revolutionen und anverwandte umstürzlerische Aktivitäten":
Ich mische mich nun auch endlich mal in die WWW-Dikussionen ein. Erstens: Das Zitat finde ich ganz wunderbar und die Anmerkungen der Autorin kann ich nur doppelt unterstreichen. Genau so müssen sie sein, das Leben, das Denken, die Liebe, die Revolution: Große Begriffe dreimal dick unterstrichen und kursiv gestellt, zielgerichtet und punktgenau, verbissen, hartnäckig und kompromisslos. Das ist es, was uns an der "Frankfurter Schule" zu gefallen hat.
Es wäre durchaus wert, sich einmal genauer Gedanken darüber zu machen, wie diese zwei Begriffe in dem Zitat - "Ausdruck" und "Recht" der Massen - genau zu verstehen sind. Was wohl weniger einfach wäre, als es am ersten Blick erschienen mag, wohl aber doch sehr aufschlussreich. Überhaupt bin ich ein großer Freund der peniblen und (vermeintlich) kleinlichen Exegese - im Gegensatz zur großen umspannenden Welterklärungsgeste. Die Weisheit, die Revolution und die Lust stecken im Detail. Jede zulässige Abstraktion kann nur von dort ausgehen.
Das Benjamin-Zitat besitzt im übrigen genau die Qualität, die ich an Andorno so sehr schätze: Genau diese Kompromisslosgkeit, die Mme. Bell an ihm so bekrittelt. "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen": Hätte ich jetzt die grafischen Möglichkeiten dazu würde ich das Zitat drei mal unterstreichen, kursiv und fett zugleich stellen. Freiheit kann es nur jenseits der instrumentellen Vernunft in einer kapitalistischen Gesellschaft geben, nie in ihrer Mitte!
Venceremos
Ich mische mich nun auch endlich mal in die WWW-Dikussionen ein. Erstens: Das Zitat finde ich ganz wunderbar und die Anmerkungen der Autorin kann ich nur doppelt unterstreichen. Genau so müssen sie sein, das Leben, das Denken, die Liebe, die Revolution: Große Begriffe dreimal dick unterstrichen und kursiv gestellt, zielgerichtet und punktgenau, verbissen, hartnäckig und kompromisslos. Das ist es, was uns an der "Frankfurter Schule" zu gefallen hat.
Es wäre durchaus wert, sich einmal genauer Gedanken darüber zu machen, wie diese zwei Begriffe in dem Zitat - "Ausdruck" und "Recht" der Massen - genau zu verstehen sind. Was wohl weniger einfach wäre, als es am ersten Blick erschienen mag, wohl aber doch sehr aufschlussreich. Überhaupt bin ich ein großer Freund der peniblen und (vermeintlich) kleinlichen Exegese - im Gegensatz zur großen umspannenden Welterklärungsgeste. Die Weisheit, die Revolution und die Lust stecken im Detail. Jede zulässige Abstraktion kann nur von dort ausgehen.
Das Benjamin-Zitat besitzt im übrigen genau die Qualität, die ich an Andorno so sehr schätze: Genau diese Kompromisslosgkeit, die Mme. Bell an ihm so bekrittelt. "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen": Hätte ich jetzt die grafischen Möglichkeiten dazu würde ich das Zitat drei mal unterstreichen, kursiv und fett zugleich stellen. Freiheit kann es nur jenseits der instrumentellen Vernunft in einer kapitalistischen Gesellschaft geben, nie in ihrer Mitte!
Venceremos
gingerbox - 6. Jun, 17:35
über ironie
sollten wir wahrscheinlich auch mal reden, verehrter herr fidel. (wie über frau berg, fällt mir da ein, da wollten Sie sich doch noch äußern?)
zum thema: das problem bei der frage nach „ausdruck“ und „recht“ scheint mir der begriff der „masse“ zu sein, der sich heute doch ganz anders darstellt als in den 30ern. der umfang der möglichen exegese (vulgo fitzelarbeit) bemisst sich, was unsere schöne ARGE betrifft, leider am verhältnis von alkoholmenge zu zeit, was mich am doch historisch gebotenen fortschritt zweifeln lässt... pessimismus ist aber der reaktionärin erste tugend, deshalb munter voran und weiter gebohrt, bis weisheit, lust und revolution irgendwann endlich auftauchen oder, wenn nicht, wir uns zumindest auskennen.
gern erinnere ich in diesem zusammenhang an frau bells insistieren auf der praktischen umsetzbarkeit fürs eigene leben bzw. an marlene streeruwitz ähnlich gelagertes „und was bringt mir das beim frühstück?“.
zum thema: das problem bei der frage nach „ausdruck“ und „recht“ scheint mir der begriff der „masse“ zu sein, der sich heute doch ganz anders darstellt als in den 30ern. der umfang der möglichen exegese (vulgo fitzelarbeit) bemisst sich, was unsere schöne ARGE betrifft, leider am verhältnis von alkoholmenge zu zeit, was mich am doch historisch gebotenen fortschritt zweifeln lässt... pessimismus ist aber der reaktionärin erste tugend, deshalb munter voran und weiter gebohrt, bis weisheit, lust und revolution irgendwann endlich auftauchen oder, wenn nicht, wir uns zumindest auskennen.
gern erinnere ich in diesem zusammenhang an frau bells insistieren auf der praktischen umsetzbarkeit fürs eigene leben bzw. an marlene streeruwitz ähnlich gelagertes „und was bringt mir das beim frühstück?“.
Fidel - 6. Jun, 14:45
Ach ja, noch was:
Warum habe ich meine Beitrag zuvor so genannt, wie ich ihn genannt habe? Ich hab vergessen, darauf noch einzugehen: Der Clou der (negativ) dialektischen Methode des guten Adorno ist es ja gerade, dass mit der selben Rigirosität, mit der er anderes seiner radikalen Kritik unterwirft, seine eigenen Gedankenkonstrukte kritisiert werden können - nämlich genau wiederum in Rückgriff auf seine eigene Argumentation und Theorie. Die Aufklärung macht nie halt, auch vor Adorno nicht. Das wusste wiederum er wahrscheinlich am besten.
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