Dienstag, 9. Februar 2010

schön durchatmen

offenbar hat helene hegemann abgeschrieben. davon kann man halten, was man will, die feuilletondebatte hat ja auch in kürzester zeit die absurdesten höhen erklommen. völlig indiskutabel ist es hingegen, das mädchen deshalb votze oder hure zu nennen, wie es einige nicht ganz unbekannte blogger zwischen berlin und tegernsee getan haben.

wer ihr vater ist, interessiert mich nicht, ich kenne den kerl auch gar nicht. ich hab mir das buch gekauft, weil sie einen kreuzwütenden, klar argumentierten text über heidi klum in der süddeutschen veröffentlicht hat, in der wochenendbeilage, wo ich mit allem gerechnet habe, nur nicht mit sowas (nicht online):

"Mit Heidi verabschieden sich komplizierte und unendlich differenzierte Geschlechterbilder. Wir bekommen eine Welt, in der Gegensätze wie Mann-Frau, aktiv-passiv, Subjekt-Objekt, Geist-Körper wieder funktionieren und das Dasein ein klares Ziel hat, die Befriedigung des Kunden, dessen Wünsche nie in Frage gestellt, sondern bedient werden. Wer zweifelt, der ist zu schwach für die knallharten Konventionen der Klum-Religion.

Das eigentliche Problem an diesem ganzen Exzess ist, dass er in der öffentlichen Wahrnehmung als etwas komplett anderes gekennzeichnet ist - als die Erfüllung eines individuellen Traums. Das Über-allem-Stehen aufgrund der eigenen Persönlichkeit. (...)
Dort geht es um die Erziehung von kleinen Model-Heiligen, die gelernt haben, dass das Überleben davon abhängt, begehrt und schön zu sein und sich auch selbst so zu sehen. Sie sind pefekte Dienstleister. Sie sind motiviert und ehrgeizig genug, jedes Klischee zu erfüllen. Sie laufen die vorgeschriebenen Erfahrungen ab, sie produzieren eine eindimensionale Kultur, die nur eins bringt: Stillstand. Tod. Sie haben beigebracht bekommen, dass man durch Gehorsam und blödeste Schablonen zu dem werden kann, der man sein will. Das raubt ihnen ihre Autonomie und ihre Aussicht auf eine vernünftige Karriere. Schlussendlich sind sie alle verdammt und verdummt."


word, baby. von mir aus ist das kein neuer gedanke, aber schon allein im unterschied zu dem sonst an jener stelle publizierten ein lichtblick. ob sie das auch abgeschrieben hat? i don't fucking care.

das buch selbst fand ich eher ermüdend, aber das liegt daran, dass mich drogenromane langweilen und die sprache über weite strecken sehr reduziert ist. interessieren würde es mich, ob sie die sexszenen auch abgemalt hat - ich glaubs ja nicht, aber zu dem thema vielleicht ein andermal mehr. nur eins noch: ich hab mich durch "feuchtgebiete" gequält und durch "mängelexemplar", die beiden pseudopubertären hervorbringungen berufsjugendlicher, nichtsdestotrotz erwachsener damen, und in beiden büchern gibts einen heini, der die erzählerin rettet oder beschützt oder sonstwie erlöst. den gibts bei hegemann nicht, sondern eine liebe zu einer älteren frau, die desillusioniert endet. allein dafür alle daumen hoch, mädchen.

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kid37 - 9. Feb, 14:48

Es wäre ja immer auch bloß eine "Jugendsünde" gewesen, das Buch, das Abschreiben, möglicherweise die ein oder andere Haltung. Ich habe in der Buchhandlung zwei Seiten gelesen, es sprach mich nicht an, aber das spricht ja nicht gegen das Buch. Mich berührt der Reflex des Feuilletons unangenehm, dieses wie besoffene Hochjazzen des nächsten "Feuchtgebietswundermädels" - einfach um einen Hype zu haben, der sein Thema aber bloß benutzt, zum nächsten Objekt macht, für das sich beim nächsten Wetterwandel auch keiner mehr interessiert. War Benjamin Lebert nicht mal der neue Büchner?

gingerbox - 9. Feb, 16:28

einen drogenroman schreiben, frühreifes wunderkind sein, krasse sprache und den letzten heißen scheiß am start haben oder so - im prinzip sind die selben mechanismen am werk wie bei germany's next topmodel, nur diesmal werden halt die gebildeten schichten angesprochen, und das ist m. e. das bitterste an der ganzen geschichte. HH wird genau so verheizt wie larissa oder wie sie alle heißen, der markt wird bedient, verdammt und verdummt sie alle.

lebert war mir damals wurscht, deshalb habe ich nix mitbekommen und kann das nicht vergleichen. mädchen gehen mir halt nahe, aber vielleicht greift die ewige gender-perspektive in dem fall auch irgendwie zu kurz, ich weiß es nicht.

feuilleton geht eigentlich gar nicht mehr. wahrscheinlich kann man sich von all dem nur mehr abwenden.

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