Sonntag, 19. November 2006

unschärferelationen

jetzt doch noch, nach einigem abliegen-lassen, das dirac-buch von dietmar dath angefangen. nach der etwas ermüdenden lektüre von schwester mitternacht, vom verbrecher verlag in der gewohnten miniaturschrift gesetzt, ist das eine beglückende sache, nicht nur wegen der bewegenden liebesgeschichte zwischen einem computerfuzzi und einer verrückten, die einem das wasser in die augen treibt und alle romantischen reflexe auslöst, die einem überraschenderweise doch noch zur verfügung stehen. auch wegen der totalität, in der die liebe hier dargestellt wird. literatur zu schreiben, physik zu treiben, supertramp zu hören, das sind alles obsessionen und nur unterschiedliche ausformungen des selben großen glücks, in der welt zu sein und sie zu erleben. tut gut.

[nachtrag]

Cynthia, sehen Sie denn nicht, daß ich mich gegenüber meiner Umwelt im Nachteil befinde? Alle um mich herum haben eine Theorie oder Obsession. Ich muß ständig welche erfinden.

Jonathan Lethem, Als sie über den Tisch kletterte

und eh klar, dass man mal eine bibliografie der physik-romane erstellen müsste, eine liste der bücher, die über wissenschaft (und naturwissenschaft im speziellen) schreiben und doch nur liebe meinen, liebeliebeliebe immer wieder. daths dirac hab ich noch nicht fertiggelesen, schon finde ich lethem besser, wahrscheinlich aber auch nur, weil der scheiternde protagonist bei lethem sympathischer ist und näher zu kommen erlaubt, mehr emo, das ist es wohl, ich bin doch eine konservative leserin.

lethem lässt einen dekonstruktivisten auftreten, der redet zwei minuten über seine theorie, schon muss der physiker kotzen. aus einem wohl fachspezifischen masochismus heraus gefällt mir das. es ist so billig, dass man den autor schon allein dafür lieben muss, sich nicht zu blöd für so ein manöver zu sein. - dahinter steht natürlich nicht mehr als der verdacht, der mich in den endphasen des studiums fast die diplomarbeit nicht fertigschreiben ließ, dass nämlich das alles ein einziger schwindel und humbug und vor allem aber unbrauchbar sei: dass sich nichts damit bewegen lasse.

die taz bespricht heute einen sammelband von campus, in dem offenbar ein beitrag sich damit beschäftigt, dass das soziale vom dekonstruktivismus nicht berührt, dass es im schlimmsten fall sogar durch ihn noch zementiert werde. (es hat zehn jahre gedauert, bis sich das, nach butler, überhaupt adäquat formulieren ließ.)

sie geht bis hinunter zu kehlmanns vermessung der welt: die denunzierung der geisteswissenschaft durch die literaten, die sich auf die seite der naturwissenschaft schlagen. schreibt die physik über die welt, die literatur über die liebe obsessionen? und gibt es wirklich nicht mehr, über das zu schreiben sich lohnen würde?

Sonntag, 12. November 2006

bin ich bobo?

s. meint, wir alle am tisch seien bobos, weil wir entscheidungsträger seien, aber am wochenende am naschmarkt einkaufen und im deli sitzen und falter lesen. worauf ich bierselig krähe, dass ich nichts davon tue, aber das scheint nicht der punkt zu sein: du hast da was, sagt s. und deutet auf das piercing mitten in meinem gesicht. dass wir alle 40, 45, 50 stunden die woche arbeiten, angestellt, wohlgemerkt, wende ich ein, und bobos seien doch jene leute, die sich von projekt zu projekt hanteln und einen entsprechenden lifestyle pflegen, während wir hier nach der arbeit uns das bier reinstellen, so wie mein vater es auch macht und sein vater davor es gemacht hat. oder nicht? aber s. geht es um die unterschiede, zwar arbeiten wir wie unsere eltern, aber wir denken und leben anders, und ich verstehe jetzt gar nichts mehr, denn ich fühle mich nicht wahnsinnig anders, habe eher den eindruck, in einem erwerbsleben gelandet zu sein, das in der form schon fast nicht mehr existiert.

b., den ich ein paar tage später zum thema befrage, schüttelt auch den kopf, sagt aber etwas sehr kluges zum thema pragmatismus und romantik und dass sich in unseren jobs beides herstellen lasse; dass wir, dank unseres pragmatismus, im dienstverhältnis vorerst safe seien und trotzdem oder deshalb eine romantische erfahrung mit und in der arbeit machen könnten, was bobos so nicht möglich sei, da sie viel arbeit nicht in arbeit, sondern in die selbstinszenierung stecken würden, sie spielen ihre jobs wie rollen.

Donnerstag, 2. November 2006

... und sie lieben mich

pervers ist, was den akt über die person stellt. dieser satz klebt in meinem hirn, und ich weiß nicht mehr, woher ich ihn habe, aber sicher ist, solche sachen fallen mir nicht von selber ein. irgendein zitat von irgendwoher scheint hier vor sich hin zu gären, und so etwas bestimmt dann das denken. dabei stimmt es nicht einmal. oder? denn dann wäre alles begehren, das nicht vor liebe zerfließt, pervers zu nennen, und dann gäbe es überhaupt keinen sex, der nicht pervers wäre. - dass dem nicht so ist, ist ein zeichen der zeit. man darf mittlerweile genießen, ohne sich dem verdacht der unmenschlichkeit auszusetzen, gottseidank.

was aber pervers ist, sieht man in den augen der andern, wenn jemand in die runde kommt und einen begrüßt, so dass klar ist: die beiden sind zusammen. und es hockt einem im kopf: ich will dich, aber ich weiß nicht, ob ich mit dir gesehen werden will. wofür schämt man sich denn? du bist das symbol meiner abweichung, meiner neurosen, meiner defizite; dass ich dich begehre, zeigt der welt meine schwäche, mein scheitern an der norm. man hat, in meiner lage, einen zwei bis vier jahre älteren burschen mit guter ausbildung und solidem job zu begehren, mit dem sich eine zukunft aufbauen lässt. oder man hat sich für seksualitäht zu entscheiden und seine promiskuität vor sich her zu tragen.

als pervers hingegen gilt, worüber die anderen ihr urteil fällen können, noch bevor sie die geschichte gehört haben. es sind konstellationen von zweifelhafter natur, und alles wäre leichter, wenn man sich nicht auch selber verdächtigen würde, im anderen gerade das besonders zu begehren, in dem er allgemein und am wenigsten er selbst ist: das andere alter, die andere hautfarbe, das gleiche geschlecht. unhinterfragbar ist heute wie immer nur die boy-meets-girl-geschichte, an deren gesundheit und rechtmäßigkeit gegen alle erfahrung nicht gezweifelt wird. diese geschichte ist so universell (so beliebig), dass sofort nach der konkreten realität gefragt werden muss: erzähl, wie habt ihr euch kennengelernt? alle anderen geschichten nageln einen fest auf die eigene identität: hast du einen vaterkomplex? kriegst du keinen österreicher ab? hast du angst vor männern? gerade von den erfahrungen auf dem weg dorthin, zu einer beziehung, die nicht den normen entspricht, will man gemeinhin gar nichts hören, oder es interessiert bestenfalls das problematische daran. da ist es schon ein fortschritt, sich diskriminiert nennen zu können, weil es den vorwurf der pathologie an die gesellschaft zurückspielt. (aber natürlich genügt das nicht.)

pervers ist, könnte man auch sagen, was seine eigene geschichte erzählen muss, um sich verständlich zu machen.

a tale of true romance.

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