Integrationsverweigerung
Ich lese im Netz hauptsächlich Online-Medien aus der alten Heimat. Ich nehme am Sozialleben meines neuen Landes kaum teil. Abgesehen vom Freitag-Bier mit den ArbeitskollegInnen beschränke ich mich auf mein Privatleben in Haus und Garten. Ich halte Kontakt in mein Herkunftsland und fühle mich wohl, wenn ich meine Sprache sprechen kann. Es kommt mir seltsam vor, die neue Sprache zu sprechen. Sie geht mir auch schwer von der Zunge. Ich kann kaum die Vokabeln, obwohl ich fast ein Jahr hier bin. Nur "Jetzetle" sage ich gern, muss dabei aber lachen.
Die Demonstrationen vor meiner Tür, unten am Bahnhof, gehen mich nichts an. Ich mische mich hier nicht ein, ich bin nur zu Gast. Diese Kämpfe sind nicht meine. Die O-Töne in der Berichterstattung finde ich lächerlich. "Ihr habt keine Ahnung", will ich sagen, "wir haben das Ganze schon vor zehn Jahren durchgemacht, als Schwarz-Blau an die Regierung kam." Davon würde ich gern erzählen, aber die Gelegenheit ergibt sich nicht, es weiß auch niemand davon, was damals war. Eine Rentnerin sagt, sie würde wegziehen, wenn der Bahnhof wirklich gebaut würde. Ich halte das für dummes Geschwätz. Dann fällt mir ein, dass ich weder Wasserwerfer noch Prügel noch Tränengas jemals erlebt habe. Versäume ich hier den Anbruch der neuen Zeit?
Die Demonstrationen vor meiner Tür, unten am Bahnhof, gehen mich nichts an. Ich mische mich hier nicht ein, ich bin nur zu Gast. Diese Kämpfe sind nicht meine. Die O-Töne in der Berichterstattung finde ich lächerlich. "Ihr habt keine Ahnung", will ich sagen, "wir haben das Ganze schon vor zehn Jahren durchgemacht, als Schwarz-Blau an die Regierung kam." Davon würde ich gern erzählen, aber die Gelegenheit ergibt sich nicht, es weiß auch niemand davon, was damals war. Eine Rentnerin sagt, sie würde wegziehen, wenn der Bahnhof wirklich gebaut würde. Ich halte das für dummes Geschwätz. Dann fällt mir ein, dass ich weder Wasserwerfer noch Prügel noch Tränengas jemals erlebt habe. Versäume ich hier den Anbruch der neuen Zeit?
gingerbox - 8. Okt, 22:14
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croco (Gast) - 2. Nov, 16:10
Das braucht alles seine Zeit.
Ich bin auch aus der Heimat gefallen.
Es ist Ihre jetzige.
Und ich fiebere imme noch mit den Demonstranten, obwohl ich seit einem viertel Jahrhundert weg bin.
Das vergeht nicht.
Meinem Hochdeutsch hört man es nicht an. Und doch verfalle ich in Dialekt, treffe ich jemanden, der von dort kommt.
Es wird kurz warm, auch wenn er nicht sympathisch ist.
Ich bin auch aus der Heimat gefallen.
Es ist Ihre jetzige.
Und ich fiebere imme noch mit den Demonstranten, obwohl ich seit einem viertel Jahrhundert weg bin.
Das vergeht nicht.
Meinem Hochdeutsch hört man es nicht an. Und doch verfalle ich in Dialekt, treffe ich jemanden, der von dort kommt.
Es wird kurz warm, auch wenn er nicht sympathisch ist.
gingerbox - 4. Nov, 09:00
Das Herkunftsohr bleibt eben immer auf Empfang.
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