kulturelle miscellen
mal überlegen: welcher verlag wäre imstande, die schlacht zwischen kiepenheuer & witsch und hanser um den mostertruckroman der saison zum dreikampf aufzupumpen? wer hat einen mehrtausendseitigen wälzer eines tragisch verstorbenen herrn in der schublade und zimmert drumherum auf die schnelle auch noch einen mitmach-leseplan mit blog, community und allem pipapo (1, 2)? suhrkamp? residenz? klett-cotta? ich weiß nicht. was ich noch weniger weiß: was soll ich denn jetzt lesen? für beide habe ich auch in der bildungskarenz nicht genug zeit. vielleicht ganz was anderes - den proust?
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am wochenende in linz gewesen, um bei der ars elektronic etwas über "human nature" zu erfahren. das glückte auf paradoxe weise, denn die menschliche natur ist ja erstaunlich beharrlich in ihren vorlieben und ihrer funktionsweise. als am nachmittag die tierpuppen durch die stadt bewegt wurden, die am abend in der klangwolke ihren auftritt haben würden, war tout linz auf den beinen, inklusive kind und kegel und internationalem logisgast, und blinzelte begeistert. die wahrnehmung von puppen - und von tierpuppen in noch größerem maß, besonders wenn die menschen sichtbar sind, die sie bewegen - springt ständig zwischen natur und kunst hin und her. dass etwas von menschen erschaffenes "wie lebendig" wirkt, ist ein so großes vergnügen, weil es vergessen lässt, dass die kontrolle über die natur/die natürlichen lebewesen ein akt der herrschaft ist. in der tierpuppe kann ich das rätselhafte anderssein des tierischen verhaltens genießen, ohne am tier schuldig zu werden. denn jedes lebende tier, mit dem ich interagiere - sei es aus wirtschaftlichen gründen oder zum bloßen vergnügen - zeigt mir immer auch seinen charakter, seine freude und seinen schmerz, in denen ich meinen eigenen charakter und meine emotionen wiedererkennen kann. gleichzeitig bleibt es mir zu einem gewissen ausmaß immer fremd und verfügt, insbesondere als "wildes tier", über eine autonomie, die mich beunruhigen muss, weil sie der sprache nicht zugänglich ist. (anders gesagt: wenn der löwe auf dich zurennt, ist es nicht klug, mit ihm diskutieren zu wollen.) diese autonomie hat die puppe nicht, und sie fasziniert uns, weil wir das aus irgendeinem wahrscheinlich im reptiliengehirn angesiedelten instinkt heraus nicht ganz glauben können. wir vertrauen darauf, dass die gesten des angriffs, die die puppe vollführt, keine bösen folgen haben werden, wir genießen unsere instinkte und können das, weil der verstand uns beruhigt: es ist alles nur theater.
umso langweiliger fand ich deshalb auch den geminoiden: eine menschenpuppe, deren antworten von einem dem blick des ihr gegenübersitzenden menschen entzogenen dritten in ein mikrofon gesprochen wurden. hier ging es nur um die technische kunstfertigkeit, einem gerät auch unwillkürliche menschliche bewegungen beizubringen, denn die sprache stammte von irgendeinem xandl aus alhaming, der sich gerade einen platz am eingabeterminal erkämpft hatte. die szenerie erinnerte mich an kirtag und prater und, wie so vieles im ars elektronica center, an das 19. jahrhundert.
das muss gar nichts schlechtes sein: arthur gansons arbeiten, insbesondere die betonmaschine, vermitteln ein gefühl davon, wie einfache mechanik die grenzen meiner wahrnehmung ebenso wie meiner vorstellungskraft überschreitet. das hat nichts mit digitalem leben oder mensch-maschine-interfaces zu tun, nichts mit cyborgs (hallo 90er-jahre!) und nichts mit genetik. es zeigt nur, dass mechanik das ganz andere ist, das wir schon länger kennen, als wir meinen.
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am wochenende in linz gewesen, um bei der ars elektronic etwas über "human nature" zu erfahren. das glückte auf paradoxe weise, denn die menschliche natur ist ja erstaunlich beharrlich in ihren vorlieben und ihrer funktionsweise. als am nachmittag die tierpuppen durch die stadt bewegt wurden, die am abend in der klangwolke ihren auftritt haben würden, war tout linz auf den beinen, inklusive kind und kegel und internationalem logisgast, und blinzelte begeistert. die wahrnehmung von puppen - und von tierpuppen in noch größerem maß, besonders wenn die menschen sichtbar sind, die sie bewegen - springt ständig zwischen natur und kunst hin und her. dass etwas von menschen erschaffenes "wie lebendig" wirkt, ist ein so großes vergnügen, weil es vergessen lässt, dass die kontrolle über die natur/die natürlichen lebewesen ein akt der herrschaft ist. in der tierpuppe kann ich das rätselhafte anderssein des tierischen verhaltens genießen, ohne am tier schuldig zu werden. denn jedes lebende tier, mit dem ich interagiere - sei es aus wirtschaftlichen gründen oder zum bloßen vergnügen - zeigt mir immer auch seinen charakter, seine freude und seinen schmerz, in denen ich meinen eigenen charakter und meine emotionen wiedererkennen kann. gleichzeitig bleibt es mir zu einem gewissen ausmaß immer fremd und verfügt, insbesondere als "wildes tier", über eine autonomie, die mich beunruhigen muss, weil sie der sprache nicht zugänglich ist. (anders gesagt: wenn der löwe auf dich zurennt, ist es nicht klug, mit ihm diskutieren zu wollen.) diese autonomie hat die puppe nicht, und sie fasziniert uns, weil wir das aus irgendeinem wahrscheinlich im reptiliengehirn angesiedelten instinkt heraus nicht ganz glauben können. wir vertrauen darauf, dass die gesten des angriffs, die die puppe vollführt, keine bösen folgen haben werden, wir genießen unsere instinkte und können das, weil der verstand uns beruhigt: es ist alles nur theater.
umso langweiliger fand ich deshalb auch den geminoiden: eine menschenpuppe, deren antworten von einem dem blick des ihr gegenübersitzenden menschen entzogenen dritten in ein mikrofon gesprochen wurden. hier ging es nur um die technische kunstfertigkeit, einem gerät auch unwillkürliche menschliche bewegungen beizubringen, denn die sprache stammte von irgendeinem xandl aus alhaming, der sich gerade einen platz am eingabeterminal erkämpft hatte. die szenerie erinnerte mich an kirtag und prater und, wie so vieles im ars elektronica center, an das 19. jahrhundert.
das muss gar nichts schlechtes sein: arthur gansons arbeiten, insbesondere die betonmaschine, vermitteln ein gefühl davon, wie einfache mechanik die grenzen meiner wahrnehmung ebenso wie meiner vorstellungskraft überschreitet. das hat nichts mit digitalem leben oder mensch-maschine-interfaces zu tun, nichts mit cyborgs (hallo 90er-jahre!) und nichts mit genetik. es zeigt nur, dass mechanik das ganz andere ist, das wir schon länger kennen, als wir meinen.
gingerbox - 8. Sep, 19:48
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