Freitag, 1. Juli 2005

der terror kommt auf leisen sohlen

zuerst will ich mich entschuldigen für die fahrlässige und leichtfertige verwendung des begriffes terror.

am heutigen schön regnerischen nachmittag stand ich harmlos vor einer bücherkiste im geriatrischen achten bezirk, als sich ein geflegter alter mann, wie sie dort so häufig vorkommen, vorsichtig von der seite in mein blickfeld schob und mir eines der bücher des ehepaares pearse oder wie sie heißen präsentierte. es war eines dieser bücher der sorte warum männer nicht eislaufen können und frauen immer geburtstage vergessen - üble machwerke, die aber offensichtlich von einer großen anzahl von menschen gern benutzt werden, um sich ihren häuslichen mitbewohner verständlich zu machen. aus mir nicht nachvollziehbaren gründen stand am cover der als zitat ausgewiesene satz männer sind wie schokolade. darauf wies er mich hin auch gleich hin: sehen Sie, männer sind wie schokolade.

nun kommt es ja durchaus häufig vor, dass alte männer gern mit jungen frauen kokett über das liebesleben reden. was sagt man da als freundliche person? wix wen anderen an, du vertrocknete ausgabe eines verklemmten versagers? - natürlich nicht, sondern man lächelt milde und sagt: aha.

wenn, wie in diesem fall, der alte mann dann fortsetzt: ja, denn der mann ist das juwel des staates! - dann schwant einem allerdings, dass man bald seinen spaziergang fortsetzen muss, und richtig, schon wird erklärt: denn die männer haben alle erfindungen gemacht, aber die frauen gar keine!

Sie sollten nicht so viel blödsinn reden, riet ich ihm also, schon im gehen. und er rief mir den bemerkenswerten satz Sie sind ein ganz blöde! hinterher.

als ich zwei stunden vorher das haus verlassen hatte, war mir eine alte, verwahrloste frau entgegen gekommen, die in einem viel zu dünnen kleidchen durch die stadt taumelte und zwei dreckige plüschbären an sich presste. als ich nach hause kam, stand eine andere alte, ebenso weißhaarige frau in einem hauseingang und läutete, um eingelassen zu werden, und obwohl sie auf den ersten blick gesund und sauber aussah, bemerkte ich doch noch, dass sie keine schuhe anhatte.

Dienstag, 28. Juni 2005

und noch was ... die ewige jugend

bin offensichtlich dazu verurteilt, mein leben als ewig-pseudojugendlich zu verbringen, nur weil mir das erste mal nicht völlig wurscht, sondern, wie wolf haas sagen würde, quasi nachholend im gegenteil ganz besonders aufregend ist: da steht zum ersten mal was von mir in einem anderen blog, natürlich ohne link, denn die herren können da durchaus streng sein – da wird nicht auf jeden pipifax verwiesen, auch wenn man selber gemeint ist. das hat klasse, ist aber auch ein bissl naja. ein bissl briefmarken-nach-erscheinungsdatum-ordnen und aufsätze-nach-jahreszahlen. andererseits: gut, dass es ihm gefallen hat. hat auch was. herrje.

wie man sich abarbeitet an so netzfiguren.

Montag, 27. Juni 2005

readme.cc

lesen ist ja leider bei uns nicht pop, sagt herr ballhausen und schieb sich noch ein stück sushi in den mund. ich hatte elektropostalisch vorgeschlagen, uns gemeinsam auf www.readme.cc zu registrieren, mit geklauten spätpubertären sprüchen wie literatur ist, was ich mir sonst in den unterarm ritzen würde, aber wie immer kam es nicht dazu. wahrscheinlich hatte er bedenken, was das damit verbundene pathos angeht. ich kanns ihm nicht wirklich verübeln, schließlich schreiben die lesys auf dieser seite brav ihre hobbies rein: hallo, mein name ist babs, und ich mag ponys, lesen und alles von felicity wunschfee. hab ich mich also selber registriert.

elektro-leben: die inwendigkeit im blog, die lektüre auf readme.cc. ich stopfe mein ich ins internet und warte auf den nächsten crash. alles weitere bleibt im notizbuch.

dass lesen nicht pop ist – das könnte übrigens und unter umständen auch eine folge dessen sein, dass die betreiberInnen der seite es seit wochen nicht schaffen, eine übersichtliche navigation zu organisieren und die versprochenen features freizuschalten.

ulrich

ganz besoffen von musils mann ohne eigenschaften.

selten ist das geworden: ein buch genau im richtigen alter zu lesen. wie alt ist ulrich, der mann ohne eigenschaften? schnell nachschauen, ach ja, ganz genau: 32. robert1

als ob sich die welt wieder auftun würde, so ist die lektüre! über die meisterschaft der schriftstellerei allein gäbe es viele, viele seiten zu füllen – wie der text bis in den tonfall, in die syntax hinein den figuren entspricht, die beschrieben werden, wie lebendig das alles ist und wie ganz analytisch zugleich, wie gut gehört, beobachtet und verstanden. wie parteiisch, wie liebevoll, ohne sich je anzubiedern, wie klar, wie komplex, wie völlig einsam und wie witzig. ein mordstrumm, denke ich nur, weil meine reduzierte sprache kapituliert, ein ereignis wie eine intellektuelle naturkatastrophe, wie konnte ich leben, ohne das zu kennen!, und dann plumpsen mir die kontaktlinsen aus dem gesicht, weil ich vergesse zu blinzeln.

tausend seiten, und kein wort zuviel. schlackenlos. der urlaub wird mir zu kurz, sowas lässt sich nicht lesen: jeden tag zehn minuten vor dem einschlafen. jeden tag hundert seiten, so muss es sein, und genug zeit haben, um wieder aufhören zu können, wenn es zu viel wird und alles gelesene plötzlich realer wird als die realität. und das eigene leben bedacht werden will. und der wunsch, ein solches buch für unsere zeit zu schreiben. oder, realistischer, ein solches buch endlich zu finden.

ein buch, das mich besser macht. klüger macht. lebendiger.

das nicht versagt vor dem versagen der begriffe – so wie wir heute versagen und das „postmodern“ genannt haben, als wir noch gedanken haben zu müssen glaubten, bevor wir endgültig verzichtet haben.

wie wenig sich auch geändert hat seither: was das kategorische denken angeht, hat sich gar nichts geändert, nur der umgang mit den körpern ist anders geworden, aber auch das war damals bereits absehbar und hat musil beschrieben – ulrich ist durchtrainiert, er boxt, er gefällt. aber die frauen sind noch anders gewesen: magere, harte mädchenleiber gibt es da, spätpubertär revoltierend (gerda) oder vom sexuellen gebrauch durch die andeutungen und niemals offen gewalttätigen übergriffe der männer gezeichnet (clarisse) – und diotima, ein prächtiges, schönes stück weib, das sich die veralteten gedanken der zeitgenossen in den kopf gesetzt hat, sehr zum bedauern von ulrich. – aber vielleicht sind die frauen auch nicht anders gewesen als heute, vielleicht waren nur die interpretationen anders, weil die langen, fleischlosen knochen damals noch chic und nicht werbung und die frauen mit intellektuellen ambitionen damals noch mit sektionschefs verheiratet waren.

sommer 2005: der mann ohne eigenschaften.

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