Donnerstag, 2. Juni 2005

weil es neulich thema war

Auszüge aus dem Nachwort von Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Suhrkamp)

„Der Faschismus versucht, die neu entstandenen proletarisierten Massen zu organisieren, ohne die Eigentumsverhältnisse, auf deren Beseitigung sie hindrängen, anzutasten. Er sieht sein Heil darin, die Massen zu ihrem Ausdruck (beileibe nicht zu ihrem Recht) kommen zu lassen. Die Massen haben ein Recht auf Veränderung der Eigentumsverhältnisse; der Faschismus sucht ihnen einen Ausdruck in deren Konservierung zu geben. Der Faschismus läuft folgerecht auf eine Ästhetisierung des politischen Lebens hinaus. (...)

Alle Bemühungen um die Ästhetisierung der Politik gipfeln in einem Punkt. Dieser eine Punkt ist der Krieg. Der Krieg, und nur der Krieg, macht es möglich, Massenbewegungen größten Maßstabs unter Wahrung der überkommenen Eigentumsverhältnisse ein Ziel zu geben. So formuliert sich der Tatbestand von der Politik her.

Von der Technik her formuliert er sich folgendermaßen: Nur der Krieg macht es möglich, die sämtlichen technischen Mittel der Gegenwart unter Wahrung der Eigentumsverhältnisse zu mobilisieren. Es ist selbstverständlich, daß die Apotheose des Krieges durch den Faschismus sich nicht dieser Argumente bedient.

(...) Die Ästhetik des heutigen Krieges (stellt sich) folgendermaßen dar: wird die natürliche Verwertung der Produktivkräfte durch die Eigentumsordnung hintangehalten, so drängt die Steigerung der technischen Behelfe, der Tempi, der Kraftquellen nach einer unnatürlichen. Sie findet sie im Kriege, der mit seinen Zerstörungen den Beweis dafür antritt, daß die Gesellschaft nicht reif genug war, sich die Technik zu ihrem Organ zu machen, dass die Technik nicht ausgebildet genug war, die gesellschaftlichen Elementarkräfte zu bewältigen.

Der imperialistische Krieg ist in seinen grauenhaftesten Zügen bestimmt durch die Diskrepanz zwischen den gewaltigen Produktionsmitteln und ihrer unzulänglichen Verwertung im Produktionsprozeß (mit anderen Worten, durch die Arbeitslosigkeit und den Mangel an Absatzmärkten). Der imperialistische Krieg ist ein Aufstand der Technik, die am „Menschenmaterial“ die Ansprüche eintreibt, denen die Gesellschaft ihr natürliches Material entzogen hat. Anstatt Flüsse zu kanalisieren, lenkt sie den Menschenstrom in das Bett ihrer Schützengräben, anstatt Saaten aus ihren Aeroplanen zu streuen, streut sie Brandbomben über die Städte hin, und im Gaskrieg hat sie ein Mittel gefunden, die Aura auf neue Art abzuschaffen.

„Fiat ars – pereat mundus“ sagt der Faschismus und erwartet die künstlerische Befriedigung der von der Technik veränderten Sinneswahrnehmung, wie Marinetti bekennt, vom Kriege. Das ist offenbar die Vollendung des l'art pour l'art. Die Menschheit, die einst bei Homer ein Schauobjekt für die Olympischen Götter war, ist es nun für sich selbst geworden. Ihre Selbstentfremdung hat jenen Grad erreicht, der sie ihre eigene Vernichtung als ästhetischen Genuß ersten Ranges erleben läßt. So steht es um die Ästhetisierung der Politik, welche der Faschismus betreibt. Der Kommunismus antwortet ihm mit der Politisierung der Kunst.

Montag, 30. Mai 2005

ach, der sommer

sonntags mit der famosen frau szabo an der alten donau, in einem der siebzehntausend und vier bäder, die dort eingerichtet sind, und mitten auf der wiese zwischen der einen kassa und dem, was frau szabo dort drüben sind wenig leute nennt, liegt die affäre oder besser: die eskapade, wie wiederum herr ballhausen gerne sagt, von weihnachten, natürlich ohne handtuch wg. männlich gleich aufs gras hingeknallt und, vollends schockierend, noch immer mit beinen von hier bis hainburg. erkannt hab ich ihn aber an der süddeutschen zeitung, die er damals schon im abo hatte und auch hier wie vorher sehr ernsthaft und konzentriert (man kann es schon fast nicht lesen nennen) inhalierte:

ah, da liest wer zeitung.
was mag das für eine zeitung sein?
mal reinspechtln. schriften? layout? die zeit?
aha, süddeutsche.

und im weitergehen noch denken: „süddeutsche.“ und denken: „lang und dünn und helle haut.“ und die steinchen fallen an ihre plätze, mich noch umdrehen und jetzt sicher wiedererkennen und grade noch das winken vermeiden und gottseidank denken können: „der hut, den er aufhat, sieht auch nicht besser aus als meiner.“ und lachen können. und weitergehen können; weil gottseidank dreißig.

am nächsten tag dann trotzdem und grade deswegen die alten emails lesen und merken, wie schön das war, dass der (immer schon) schreiben konnte: dass in der sprache schon sichtbar war, was in dem kerl drinnensteckt und wohin der noch gelangen könnte. sich in jemanden verlieben, weil man sein potenzial sieht: das geht hetero garnicht, gendermäßig. schon im reden war ich ihm, damals, zu unweiblich: du redest wie ein mann – himmelherrgott, und einem die vielen ebenen des redens erklären müssen, das ging auch nicht.

lange passagen besoffenen vor-mich-hin-spintisierens.

aber zum thema schreiben können: grade sinds vanessaundchrissie und karinundgünter, von denen ich gern mehr lesen würde. und vom herrn thomas natürlich. die sprache bekommt ihr eigenes recht.

soviel bis hierher.

klappentextschreiber

aus einem aktuellen verlagskatalog stammt der gelungene untertitel Judenretter im Dreiländereck während des Zweiten Weltkriegs. da bleibt keine frage offen. außer vielleicht, ob das schöne wort „judenretter“ nicht nach dem muster „kinderverzahrer“, „leichenschänder“ und „frauenversteher“ gebildet ist.

oder fällt mir nur nichts positives ein, das grammatikalisch gleich gebaut wäre?

Samstag, 28. Mai 2005

primaten. hominide

immer und immer wieder schön: mit und neben den anderen lieben rudelkörpern herumliegen. aus den einzelwohnhöhlen kriechen, in der wiese waschmittelresistente grasflecken aufs leinenzeug reiben und gemeinsam in den blitzblauen himmel schauen. die zecherl bewegen und dann ein wurschtbrot essen. viel zeugs reden und wenig wissen wollen von gestern oder morgen. trotzdem dran denken. und gut ist es.

plötzlich kommen jetzt leute mit gitarren in die öffentlichkeit, hocken im augarten auf bänken und spielen. gestern abend im halbdunklen park an der kreuzung währinger straße/spitalgasse saß sogar einer mit ukulele. noch sind sie meistens allein, manchmal zu zweit, bald vielleicht gibt es gruppen drumherum, wer weiß. wenn in fünf, zehn jahren keiner mehr geld haben wird, wird das vielleicht unser vergnügen sein: im park sitzen und gitarre spielen. oder zuhören. oder sagen: spiel mal das eine von gustav, weißt eh, das mit den walen! und dann sagen müssen: california dreaming ist auch ok.

liquid center

fließende inhalte in starren formen

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Aktuelle Beiträge

:D Achja, das kenn ich...
:D Achja, das kenn ich nur zu gut, wenn meine Katze...
jaybird90 (Gast) - 27. Aug, 14:27
Das stimmt, ein echtes...
Das stimmt, ein echtes Sommerkind hat immer den schönsten...
Sonjalein (Gast) - 27. Aug, 14:18
erleichtert
Gerade erst bin ich zufällig auf diesen Blog gestoßen....
lovelyboje - 14. Aug, 14:54
vielen dank für die guten...
vielen dank für die guten wünsche!
gingerbox - 27. Jun, 18:22
Hey, cool! Herzlichen...
Hey, cool! Herzlichen Glückwunsch und alles Gute allen!
kid37 - 23. Jun, 22:05

Status

Online seit 7536 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 27. Aug, 14:27

Credits


... aus der steckdose
all about angst
dreckige götter
fluessig lesen
geschmeidige konversation
mengenlehre
metabloggen
neigungsgruppe nachdenken
praeformationen
random acts of happiness
seelenkiller-sounds
ueberschreitungen
weltbild plus
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren