Montag, 5. Juni 2006

achtelbauern

siebtelbauerndie e. hat mir erzählt, dass ihre schwiegermutter ihre wohnung nie betreten hat. „das waren häuslleut, da geht man nicht hinein.“ sie hat nicht einmal den türgriff berührt, er könnte ja dreckig sein. einen von den drei enkelbuben hat sie nicht mögen. einfach so. seit er geboren wurde, hat er ihr nicht gepasst. jogl hat sie ihn immer genannt, „du bist a so a jogl“, aber nicht liebevoll, sondern abwertend. wenn er ihr mit einem anderen bruder was geholfen hat, hat der andere immer mehr geld dafür bekommen. „er ist der meister [da moasta], du bist der lehrbub“, hat sie gesagt. und das hat der e. so weh getan immer, das waren ja ihre kinder, ihre drei buben. aber die alte frau war so böse [so bes]. sie hat im ersten stock gewohnt, den ganzen ersten stock hat sie bewohnt in dem riesigen vierkanthof, allein, und unten die familie mit den drei kindern, die auch immer größer geworden sind und platz gebraucht haben. eines tages hat sie sich doch erbarmt und ein zimmer im ersten stock für einen von den buben freigegeben, und seitdem hat sie keinen groschen kostgeld mehr bezahlt. bis dahin hat sie immer tausend schilling im monat bezahlt, aber dann nichts mehr. „wohnt ja eh der bua heroben“, hat sie gesagt. dabei hat sie eine eigene pension und eine pension von ihrem mann, der war schuldirektor. sie hat genug geld. aber sie zahlt nichts mehr.

jetzt ist sie ins altersheim gegangen, von einen tag auf den anderen. sie hat daheim nichts gesagt, sie hat nur gesagt: „morgen fahre ich nach k.“ jetzt ist sie dort in probepflege. sie hat bei der verwaltung angegeben, dass sie kein geld hat, keine sparbücher und nix. das kostet einiges, wenn man sich ein altersheim selber zahlen muss. aber die e. hat gesagt, sie zahlt keinen groschen für sie. es ist ihr wurscht, was sie dort behauptet - von ihr kriegt sie kein geld.

die e. hat gesagt, sie hat immer geglaubt, wenn die alte frau ausgezogen ist, kommt die große freude und die erleichterung, aber bis jetzt ist es nicht so. die schwiegermutter hat auch die wohnung noch nicht ausgeräumt. und sie hat jemand anderen gebeten, dass sie um ihre blumen schaut. das trifft halt wieder die e. so., dass jemand anderer kommt und die blumen pflegt. deshalb hat sie sich jetzt so ein schnapperl an die wohnungstür montiert, damit diese person wenigstens nicht in ihre wohnung kommen kann. bis jetzt hat sie ihre wohnung nicht zusperren können. „ich weiß eh, dass die alte frau hereinkommt und stierlt, wenn wir nicht da sind“, hat die e. gesagt.

e. ist eine freundin meiner mutter und arbeitet als erwachsenenbildnerin. sie leitet einen literaturkreis und versucht, im internet eine diskussionsgruppe für frauen am land zu betreiben, was schwer geht, weil die wenigsten online sind. sie ist etwa 50 jahre alt. ihr mann ist lehrer. ihre söhne sind jünger als ich. der vierkanthof ist prachtvoll, eine alte mühle gehört dazu, die sie selber renoviert haben und in der lesungen und diskussionsrunden stattfinden.

sie sollten die wohnung ausräumen und räuchern gehen, sage ich, weil mir nichts besseres einfällt.

meine mutter sieht mich an und sagt: das ist alles noch gar nicht lange her. und sie meint: die verachtung der großen bauern und der angesehenen leute am dorf gegen die kleinhäusler. drei generationen. ein achtel der großeltern ist noch in jedem der drei buben.

mit meiner schulfreundin t. war ich 1998 oder 1999 im kino, wie sie siebtelbauern gespielt haben, und nachher war sie ganz aufgeregt und aus dem häusl und hat immer nur gesagt: bis heute sind sie so, die bauern, nix hat sich geändert, genau so sind sie! ich habe das übertrieben gefunden. t. hat damals wieder mit ihren eltern in einem haus auf der schattseite gewohnt, wo sie schafe gezüchtet und einen kleinen nebenerwerb betrieben haben. sie ist in der gegend geblieben.

foto: absolutmedien.de

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