Montag, 28. August 2006

„zum knochenkotzen“

dass gleichermaßen begeisternde wie verwirrende an deutschland ist der gelernten österreicherin ja die tatsache, dass dort tatsächlich öffentliche debatten geführt werden - dass menschen, die nicht politikerInnen sind, meinungen formulieren, und andere darauf reagieren, und dass es dabei wirklich um etwas geht. wie undenkbar das in österreich ist, merke ich an meinem mich selbst beschämenden widerwillen, der eher eine beunruhigung ist, mit der ich diese diskussionen verfolge: je näher mir ein thema ist, desto weniger will ich im grunde davon hören. nur nicht drüber reden, es könnte alles noch viel schlimmer werden. jede diskussion nur denkbar als dammbruch, nach dem das übel wieder terrain gewonnen haben wird. ich denke, dass das, was ich jetzt mal unsere seite nennen will, die besseren argumente hat, ich denke sogar, dass sie oft als einzige seite argumente hat, wo der gegner sein ressentiment auslebt. und ich würde gern darauf vertrauen, dass diese argumente überzeugen können und uns gewinnen lassen. aber ich glaube es nicht.

jetzt wieder die debatte zur frauensache, die ausgerechnet die zeit dankenswerterweise und endlich mit dem einzig richtigen wort verknüpft hat: feminismus. leider sieht man der sache auch an, wie sie entstanden sein muss: jetzt hat cicero die herman gehabt, da hängen wir uns doch mal dran. lassen wir mal ein paar frauen quatschen, die sollen ihren senf dazu abgeben. ein rumpeldurcheinander an frauen wurde da zusammengetrommelt, und auch wenn alle was zu sagen haben und das ausgehen von den eigenen erfahrungen sehr ehrenhaft und eine alte feministische forderung ist - es hätte mehr texte gebraucht wie den von karen duve, die die burschen beim namen nennt: schirrmacher, mattusek, stuckrad-barre. so muss es sein: eine strukturelle kritik, die die exponenten benennt, nicht umgekehrt von der struktur nichts wissen wollen und stattdessen nur das eigene umgehen damit schildern, auch wenn es noch so reflektiert sein mag, denn es ist ein Symptom der Erinnerung an unseren Sklavenstatus, schrieb streeruwitz, der Anspruch an eine gesichtslose Masse, daß jedes Teilchen dieser Masse für die gesamte Masse stehen kann und deshalb in der Lage ist, Auskunft über die Masse zu geben.* - die größte niederlage in diesem unternehmen so far leider frau von lange, die von den problemen deliriert, die es mit sich bringt, einen mann zu lieben und trotzdem emanzipiert sein zu wollen.

aber vielleicht gärt was, ich weiß es nicht. zwei sehr gute texte zum thema haben jedenfalls casino und miss m. geschrieben, und ich dachte beim lesen wieder einmal, wie froh ich bin, dass es blogs gibt.

keine conclusio heute.

* Marlene Streeruwitz: Können. Mögen. Dürfen. Sollen. Wollen. Müssen. Lassen. Frankfurter Poetikvorlesungen (Suhrkamp)

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Chinaski - 28. Aug, 00:15

Um was -ach so wichtiges- geht es denn worüber die Damen in Deutschland debattieren dürfen und die in Österreich nicht? Nicht falsch verstehen, es geht mir nicht um eine Grundsatzdiskussion über die Kompetenzen der Männer oder die der Frauen; das liegt mir fern.

Vielleicht bin ich ein Nihilist oder zumindest etwas ähnlich sinnloses, aber ich sehe einfach nichts grossartig wichtiges, worüber die Damen in Deutschland debattieren dürfen was den Damen in Österreich vorenthalten wird...

vielleicht ist auch das Bier schuld, das möchte ich hier nicht ausschliessen...

medee (Gast) - 28. Aug, 15:49

verwirrt zurück

ehrlich gesagt gehts mir genau andersrum,
seit dem ich hier in wien bin und das ist nun schön fast ein jahr her.... (och wie süss) bin ich noch mehr feminist als in meiner schlimmsten sozpädära. -- bei uns in deutschland werden keine debatten geführt, sonder wie in der dummen zeit frauen über ihr feminismus gefühl befragt- weil über gefühle reden können sie ja- würg!!!
Aber hier in wien trifft mann (also ich ) sowohl in presse und in life - menschen - die sich mit feminismus auseinandersetzten und nicht platt gefühlsduseln, sondern konstruktiv und sturkturiert und benennend...(noch ein und wie in der 2 klasse und ich sterbe).
aber grundsätzlich ists eher zum heulen - wenn mann (also wieder ich) mir so ansehen/lesen etc muß was von männern und frauen(siehe hermann und v.d.leyen) so alles daherquatschen...

gingerbox - 28. Aug, 20:13

ich fürchte, ich kann deinen eindruck nicht ganz teilen, lieber medee. oder lese ich noch immer die falschen zeitungen? eine auseinandersetzung mit dem feminismus kann ich in der österreichischen presse nicht finden, schon gar keine konstruktive. - die „frauenministerin“ m. r.-k. hat sich selbst in der wienerin als feministin bezeichnet. da geht mir der schmäh aus.
medee (Gast) - 28. Aug, 23:18

ok

ganz recht r.k. ist zum speiben, aber gibt es in der sz, faz, zeit spiegel etc. nen frauenbereich wie im standard? nein. ok saublödesbeispiel.
ich finde eher bei den leuten um mich herum sind viele dabei dies begriffen haben und die was machen. auch allgemein, angefangen vom sprachgebrauch bis hin zu diskussionen und handlungen kommt mir das felix austria (zumindest in wien ) besser vor. Ich denke mir jedes mal in deutschland, was lasst ihr euch gefallen mädels und warum der scheiß jetzt...
Es ist dumm da mir gerade keine beispiele einfallen aus wien, aber vom Gefühl (nun als mann) muß ich sagen hier ists mehr feinsinnigkeit und mehr gender als im fucking d.

gingerbox - 29. Aug, 09:00

du hast einfach glück gehabt, dass du uns getroffen hast ;-). nein, im ernst jetzt: ich dachte z. b. auch an die natascha-kampusch-geschichte, wo alle österreichischen tageszeitungen, sogar der standard, das wort „gebieter“ aufs cover gesetzt haben, obs jetzt hieß „ich musste ihn gebieter nennen“ oder „sie musste …“ oder „er wollte, dass sie ihn …“ – es genügt das wort, um die erniedrigung zu wiederholen. und in deutschland gäbe es zumindest ein, zwei zeitungen, die das mitkriegen und deshalb vermeiden würden.
hillarydesouza (Gast) - 29. Aug, 19:34

komisch, mir gehts auch so ähnlich. hab den eindruck österreich ist deutschland in punkto feminismus was voraus. aber vielleicht liegt das auch nur an den frauen, die ich so treffe, wenn ich in wien bin. auf jeden fall merkt man in deutschland immer noch einen unterschied zwischen der "west-" und "ost"-sozialisation (jedenfalls in der generation, die noch in einem geteilten deutschland aufgewachsen ist). wobei die tendenz aber ja auch in deutschland in die richtung geht, daß frauen, wenn die arbeit knapp wird, ja doch lieber bei den kindern zuhause bleiben sollen.bei den statements in der "zeit" fand ich die biologin auch interessant, die endlich mal mit den oft zitierten "gehirnunterschieden" aufgeräumt hat.

medee (Gast) - 30. Aug, 10:51

ost und west und so

ich geb dir da ganz recht, den unterschied zwischen ost und west merkt man ganz deutlich vor allem bei den frauen. nach meinem eindruck: selbstbewusteres auftreten, selbstverständlich dinge voraussetzten die westfrauen nie voraussetzten würden, z.B.(bürgeliches denken von der guten mutter die zuhause bleibt -west- und der bösen mutter die ihr kind in einen kleinkinderhort gibt - böser osten).
Oder auch von dem was gefordert werden kann von der gesellschaft der arbeit dem mann etc....
nochmals zu den österreichern: nach meinen subjektiven umherschweifenden blick gibt es viel mehr erfolgreiche (danach ist die medienpräsenz dann ja auch da) frauen in film, buch, theater etc. zu finden als in deutschland. In der politik kann auf beiden seiten sich die hand gegeben werden. - so viel dazu.
gingerbox - 30. Aug, 20:56

ist das ein thema in gesprächen, die unterschiedliche sozialisation (oder sozialisierung? weiß jetzt nicht welches wort richtig ist.)? um nochmal auf die medien zurückzukommen: ich finds schon interessant, dass in österreich die wienerin politikerinnen fragt, ob sie feministinnen sind (anlass war wohl die kommende wahl. aber es war ein abgegriffenes heftl beim arzt, erscheinungstag weiß ich nicht mehr, kann also auch einfach so gefragt worden sein), und in deutschland greift die zeit das thema auf und fragt nach nach dem, stimmt, doofen feminismus-gefühl.

kid37 - 6. Sep, 14:20

(Ost- bzw. West-Sozialisation ist schon noch ein Thema, jedenfalls in meiner Generation.)

Vielleicht, weil hierzulande so viel diskutiert wird, ist man irgendwann des Diskutierens müde, glaubt Dinge erreicht und festgeschrieben zu haben - und vergißt, daß man durchaus auch wieder hinter solche erreichten Zustände zurückfallen kann. Feminismus war als öffentlicher Diskurs lange out, bestenfalls als "besserer" Post-Feminismus erlaubt, der eben, wie alles hier, "spaßorientiert" sein sollte und nicht so verbissen wie die alte Schwarzer-Schule. Straps statt Blaustrumpf eben. Nun rollt der Backlash, auf verschiedenen Ebenen. Allein, daß ein Blödsinn wie der einer Ex-Nachrichtensprecherin so ein mediales Echo findet, scheint mir schon ein gerüttelt Maß innerer Zustimmung zu enthalten. Sonst würde man schweigen, wie bei einem dreijährigen Kind, das zum ersten Mal ein schmutziges Wort für sich entdeckt.
gingerbox - 7. Sep, 09:02

genau das meinte ich: es sind dammbrüche, die bisher verschwiegene meinung wird ausgesprochen in der und aussprechbar durch die diskussion. mich gruselts. und irgendwas in mir, der letzte funken hoffnung, versucht das ganze noch immer zu verstehen. warum schreibt die herman sowas? die schmutzigen worte sind wahrscheinlich in der entwicklung eines kindes wichtig. aber was verspricht sie als erwachsene sich von all dem? dabei ist das die ganz falsche frage. man müsste die differenzen zu diesen leuten mehr betonen: hier gibt es nicht mal mehr diskussionen. (endlich raus aus der fassungslosigkeit.)

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